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Inhalt

Schwerpunkt: Leben im Anthropozän – Konzepte für die Stadt der Zukunft
  • Einführung (Boris Schröder-Esselbach)
  • Ein nachhaltiges Anthropozän gestalten lernen – Eröffnungsvortrag der VGöD-Jahrestagung 2015 (Kai Niebert)
  • Ressource Land unter Druck (Ralf Seppelt und Benjamin Haerdle)
  • Wie verändert die Urbanisierung den globalen Kohlenstoffkreislauf? (Galina Churkina)
  • Das Raubtier als Nachbar (Michael W. Strohbach und Numi Mitchell)
  • Architekturen für Wildtiere in der Stadt (Henri Greil)
  • Rund um den Berufseinstieg (Julia Neuhäuser)
VGöD-Intern
  • Rückblick auf die VGöD-Jahrestagung 2015
  • Jahreshauptversammlung in Braunschweig
  • Wechsel in der FORUM-Redaktion
  • Fotowettbewerb
  • Kurzmitteilungen
  • Ankündigung zur Jahrestagung 2016
Geoökologie
  • GeoökologInnen erzählen
  • Bericht zur Hochschulkonferenz in Braunschweig
  • Master-Studierende erzählen
  • Berufsinformationen für GeoökologInnen in Bayreuth
  • Bericht von der Bundesfachschaftentagung 2015
  • Berufsfelder
Neues aus Forschung und Praxis
  • Weiterentwicklung des europäischen Strombinnenmarktes
  • Grundwasserneubildung im Surat Basin in Australien
  • Vattenfalls Chance – Eine Zukunft für die Lausitz ohne Braunkohle

Leben im Anthropozän – Konzepte für die Stadt der Zukunft

Von Boris Schröder-Esselbach, Braunschweig

Die TU Braunschweig hat im vergangenen Jahr einen neuen Forschungsschwerpunkt ins Leben gerufen: Stadt der Zukunft. Unter der Federführung der Fakultät für Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften entwickelt, steht die Stadt der Zukunft nun neben den bisherigen Forschungsschwerpunkten Mobilität – mit dem Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik NFF und dem Niedersächsischen Forschungszentrum für Luftfahrt NFL – sowie Infektionen und Wirkstoffe – mit dem Braunschweiger Zentrum für Systembiologie BRICS. Wir entwickeln fakultätsübergreifende Konzepte für die effiziente, umweltfreundliche, gesunde, intelligente, soziale, grüne, nachhaltige und sichere Stadt der Zukunft, um den komplexen Anforderungen der Urbanisierung gerecht zu werden. Seit dem Sommer 2015 wird der Schwerpunkt von der Architektin und Stadtplanerin Vanessa Miriam Carlow (Institut für nachhaltigen Städtebau ISU) und dem Geoökologen Boris Schröder-Esselbach (Institut für Geoökologie) gemeinsam koordiniert.

Im Rahmen einer öffentlichen Auftaktwoche der Stadt der Zukunft vom 16.-21.11.2015 gab der Schwerpunkt mit einem vielfältigen Programm Einblick in die Visionen und Forschungsarbeiten für die Stadt der Zukunft (www.tu-braunschweig.de/stadtderzukunft/auftaktwoche, Abb. 1). Zwei Tagungen waren als Höhepunkte in diese Auftaktwoche eingegliedert: zum einen die ISU Talks #3:Ruralism: The Future of Villages and Small Towns in an Urbanizing World organisiert vom Institut für nachhaltigen Städtebau mit Keynote-Vorträgen von ecosistema urbano (Madrid), Patrick Lüth (Snøhetta, Innsbruck) und Stephan Petermann (OMA/AMO, Rotterdam) am 18.11.2015; zum anderen die VGöD-Jahrestagung Leben im Anthropozän – Konzepte für die Stadt der Zukunft vom 20-22.11.2015. Die Zusammenstellung der Vorträge der Jahrestagung umreißt einige Facetten geoökologischer Forschung zu diesen hoch relevanten Themen.

Die Mehrzahl der Menschen lebt in städtischen Regionen, die weltweit immer weiter expandieren. Wenngleich sie nur circa 2 Prozent der Erdoberfläche bedecken, haben Städte einen enormen Einfluss auf das Erdsystem, indem sie für 75 Prozent des globalen Ressourcenverbrauchs und 80 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind (Müller et al. 2010). Allein schon diese wenigen Zahlen zeigen, dass die Themen Anthropozän und Stadt der Zukunft durch den zentralen Prozess der Urbanisierung unmittelbar verbunden sind. Beide Themen stellen ein herausragendes Forschungsfeld der Geoökologie dar, wobei es sowohl darum geht, die Auswirkungen menschlichen Handelns auf Umweltsysteme zu verstehen, als auch darum, diese Systeme in ihrer Entwicklung nachhaltig zu gestalten.

Der Eröffnungsvortrag von Kai Niebert, Universität Zürich, Die Grenzen des Denkens – ist ein nachhaltiges Anthropozän vorstellbar? setzte dazu einen eindrücklichen Rahmen. Bezug nehmend auf die aktuellen Arbeiten zu planetaren Grenzen und globaler Entwicklung von W. Steffen (2015 a,b) machte er deutlich, dass die „Menschheit zum stärksten Treiber geoökologischer Prozesse geworden ist" (Niebert 2016). Zudem zeigt er auf, wie der Deutungsrahmen die Darstellung komplexer Sachverhalte etwa zum Thema Klimawandel in den Medien beeinflusst und welchen Beitrag die Ausbildung – auch in der Geoökologie – für eine nachhaltige Entwicklung hat.

Ralf Seppelt, UFZ Leipzig, griff in seinem Vortrag Agricultural production and biodiversity: A global perspective diese globale Perspektive auf. Er stellte eine international viel beachtete Studie zur Entwicklung der globalen Landnutzung vor (Seppelt et al. 2014), die eindrücklich verdeutlicht, dass bei vielen nachwachsenden Rohstoffen die Spitzenwerte der jährlichen Zuwachsraten einige Jahre zurückliegen (Seppelt & Hardle 2016).

Welche Bedeutung die Urbanisierung auf den globalen Kohlenstoffhaushalt hat, zeigte Galina Churkina, IASS Potsdam, in ihrem Vortrag Wie verändert die Urbanisierung den globalen Kohlenstoffkreislauf? Sie beschrieb die Besonderheiten des urbanen Kohlenstoffhaushalts und machte deutlich, dass die BewohnerInnen von Städten schon heute für mehr als die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind und sie zudem fast ein Viertel der globalen CO2-Aufnahme steuern (Churkina 2016). Eine weitere Urbanisierung wird diese Anteile weiter erhöhen.

Ein zweiter Block von Vorträgen fokussierte stärker auf das Thema Tiere in der Stadt. Den Anfang machte Henri Greil, TU Braunschweig. In seinem Vortrag Biophilie in der Stadt der Zukunft – Architekturen für Wildtiere setze er den Schwerpunkt auf Konzepte aus der Architektur, die helfen, negative Auswirkungen der Urbanisierung zu vermindern und die Biodiversität in der Stadt zu erhöhen (Greil 2016).

Dass die Anwesenheit von Tieren in der Stadt auch zu Konflikten führen kann, machte Michael Strohbach, HU Berlin, in seinem Vortrag Leben mit Kojoten und anderen Chaoten deutlich. Er stellte aktuelle Studien aus der movement ecology vor, die Aussagen zur Raumnutzung von Kojoten in der intensiv genutzten Kultur- und Stadtlandschaft Rhode Islands ermöglichen (Mitchell et al. 2015). Studien dieser Art liefern die Basis für die Entwicklung von Strategien zur Vermeidung von Mensch-Wildtier-Konflikten (Strohbach & Mitchell 2016).

Zum Abschluss stellten Boris Schröder-Esselbach, Dania Richter, TU Braunschweig, und Franz-Rainer Matuschka, Universität Potsdam, mit ihrem Vortrag Urbane Landschaftsepidemiologie - ticks and the city - ein neues Forschungsgebiet der Abteilung Landschaftsökologie und Umweltsystemanalyse am Institut für Geoökologie der TU Braunschweig vor. Hierbei geht es da- rum, die Beziehungen zwischen landschaftsassoziierten Pathogenen mit ihrer biotischen und abiotischen Umwelt zu verstehen. Die Etablierung und Aufrechterhaltung von Übertagungsherden hängt von den raumzeitlichen Dynamiken und Interaktionsmustern von Wirten, Vektoren und Pathogenpopulationen ab. Der Fokus der aktuellen Forschung in diesem Bereich liegt auf Zecken, ihren verschiedenen Wirten und den die Lyme-Borreliose auslösenden Borrelien, die auch in Städten zu einem erhöhten Infektionsrisiko führen können.

Der Vortrag von Vanessa Carlow zum Thema Metropole zwischen Wald und Ozean – Masterplan für eine Stadt für eine Million Einwohner in Senegal musste leider krankheitsbedingt entfallen.

Parallel zur Vortragsreihe konnten die Tagungsteilnehmenden an Workshops zum Thema Berufseinstieg sowie Fragen der Bewerbung teilnehmen, die von Clara Laugsch und Nadine Schneck durchgeführt wurden (Neuhäuser 2016).