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Inhalt

VGöD-Intern
  • Von wegen alt: 25 Jahre Geoökologie in Karlsruhe und 25 Jahre VGöD
  • Kurzmeldungen aus dem VGöD
Rezensionen
  • Der energethische Imperativ
Schwerpunkt: Böden auf Extremstandorten
  • Einführung von Sandra Münzel
  • Leben in außergewöhnlichen Konzentrationen (ein Tribut an Peter Beuge); von Jörg Matschullat
  • Mondlandschaften werden recyclebar - ein ökologischer Ansatz für die Rekultivierung der Steinkohleabbaugebiete in Vietnam; von Katrin Kuka und Petra Finkenbein
  • Environmental Geology of Stilfontein Gold Mine; von Piet van Deventer
Geoökologie
  • Absolventenfeier Bayreuth
  • W3-Professur Geoökologie in Tübingen besetzt mit Frau Prof. Dr. Yvonne Oelmann
  • Freiberger Geoökologen forschen auf dem größten Salzsee der Welt
Umweltnaturwissenschaftliche Studiengänge neben der Geoökologie
  • M.Sc. Applied Environmental Geoscience (AEG) an der Universität Tübingen

Neues aus der Forschung
  • Hier könnte Ihr Artikel stehen!

Böden auf Extremstandorten: Ihre Wirkung auf die Umgebung und ihre Entwicklungsmöglichkeiten

Von Sandra Münzel, Potsdam

Boden – jeder nutzt ihn, läuft auf ihm herum oder lässt ihn unacht- sam unter sich zurück. Meist nehmen wir ihn nur wahr, wenn wir ihn von den Schuhen abwischen. Interessant wird er erst, wenn er benötigt wird: für die Produktion von Nahrungsmitteln oder zur Gewinnung von Rohstoffen. Erst dann wissen wir ihn zu schätzen. Der Boden ist Träger unserer Infrastruktur, Archiv der Natur- und Kulturgeschichte und Lebens- grundlage. Ohne seine Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften wäre eine ökologische Kreislaufführung nicht möglich.

Das Sprichwort „Etwas aus dem Boden stampfen“ verdeutlicht bereits, dass auch wir den Boden vielfältig beeinflussen. Sichtbar wird dies bei Versiegelungen und Rohstoffabbau, unauffälliger bei Erosion oder Schadstoffbelastung. Letztere findet meist schleichend statt und zeigt ihre Auswirkungen auch noch über geologische Zeiträume hinweg. Die Veränderungen sind zumeist nur schwer rückgängig zu machen.

Durch unsere intensive und oft konkurrierende Nutzung des Bodens kommt es zur Beeinträchtigung seiner natürlichen Funk- tionen. Dies führt zu weitreichenden Folgen in der Landschaft. So werden bei- spielsweise allein in Deutschland täglich etwa 94 ha (134 Fußballfelder) in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Dadurch wird der Boden vom Wasser- und Stoffkreislauf abgetrennt. Hingegen entwi- ckeln sich Böden langfristig. Daher sollte unser Ziel die Renaturierung und Wieder- nutzbarmachung des wertvollen Schutz- gutes Boden sein. Eine Möglichkeit stellen die Böden auf Extremstandorten, so zum Beispiel auf den technogenen Substraten des Bergbaus, dar. Sie differieren in ihren pedogenetischen Eigenschaften. Für Laien sind diese oft schwierig zu erkennen.

Für geoökologische Untersuchungen sind „Böden auf Extremstandorten - ihre Wirkung und Entwicklungsmöglichkeiten“ ein spannendes Betätigungsfeld. Unter einem holistischen Ansatz betrachtet können sie zu einem Gesamtverständnis der pedogenetischen Prozesse führen. Der Mensch wirkt aktiv bei der Zerstörung der Böden, so sollte er auch tatkräftig bei einer Wie- dernutzbarmachung bzw. Entwicklung helfen.

Die Sichtweisen auf technogene Substrate bzw. kontaminierte Böden sind breit gefächert. Man kann Bücher damit füllen. Im Rahmen des Schwerpunktthemas sollen zwei Problemfelder näher betrachtet werden: 1) die Analyse des Gefährdungspotentials des Substrates sowie 2) dessen Nutzungsmöglichkeiten in Folge unterstützender Maßnahmen.

Die Beiträge zum vorliegenden Schwerpunktthema sollen eine Diskussionsgrundlage für die Behandlungs- bzw. die Entwicklungsmöglichkeiten derartiger Substrate liefern.

Zunächst führt Prof. Dr. J. Matschullat von der TU Bergakademie Freiberg vor Augen, dass für die konkrete Identifikation von belasteten Flächen vor allem zielgerichtete und effiziente Kriterien notwendig sind (S. 10). Globale geochemische Durchschnittswerte sowie die unkritische Übernahme von Grenz- und Richtwerten sieht er als wenig hilfreich und eher irreführend an. Er stellt anhand zweier Regionen auf der Nordhemisphäre (Europa) und der Süd- hemisphäre (Brasilien) folgende Hypothese auf: Für Ökosysteme relevante anthropogene  Bodenbelastungen treten nicht ubiquitär auf, sondern sind in der Regel lokal fokussiert.

„Hohe“ Elementkonzentrationen seien nicht notwendigerweise mit „Kontamination“ gleichzusetzen, da vor allem geologische Kräfte die Konzentrationsmuster bestimmten, selbst im dicht besiedelten und hochindustrialisierten Mitteleuropa.

Nach prinzipiellen Ausführungen folgen zwei Artikel mit konkreten Fallbeispielen aus den subtropischen Regionen der Erde. P. Finkenbein und Dr. K. Kuka vom UFZ Halle stellen einen ökologischen Ansatz für die Rekultivierung der Steinkoh- leabbaugebiete in Vietnam dar (S. 17). Die Umweltprobleme im Arbeitsgebiet sind vor allem die sauren Abwässer, die starke Staubbelastung sowie die Erosionsereignisse auf den Abraumhalden. Nach ihrem aktuellen Forschungsstand hat sich gezeigt, dass einfache Maßnahmen wie die Erhöhung des Feinmaterialanteils oder die Beimischung verkohl- ter Pflanzenmaterialien den Abraum aufwerten können. Als prioritäre Maßnahmen sehen die Autorinnen die Stabilisierung und kostengünstige Rekultivierung der Halden mit Hilfe einheimischer Vegetation. Doch zusätzlich legen sie dar, dass Schulungen der Bergbauunternehmen und anderer Akteure in der Region das Umweltbewusstsein vor Ort stärken sollten.

Als ein weiteres Anwendungsbeispiel werden die Auswirkungen des Golderzbergbaus in Südafrika präsentiert. P. van Deventer von der Nord West University Potchefstroom beschäftigt sich mit den großräumigen Auswirkungen des durch den Abbauprozess zu Tage gebrachten Abraummaterials (S. 22). Unter der Sicht eines Geologen führt er die Gefahren des sauren, salzhaltigen und/oder schwermetallkontaminierten Materials vor Augen. Dabei wird deutlich, wie inhomogen technogenes Material als Folge seiner Geochemie bzw. des Aufbereitungspro- zesses sein kann. Als Fazit stellt der Autor Maßnahmen für alternative Landnutzungen von kontaminierten Bereichen dar.

Die im Schwerpunkt enthaltenen Artikel stehen beispielhaft für die weltweiten Bodenveränderungen und den Landschaftswandel, der durch die Technisierung sowohl in den Industrieländern als auch in Schwellen- und Entwicklungslän- dern stattfindet. Ich selbst forsche ebenfalls zu Veränderungsprozessen von technogenem Material und zwar am Beispiel des Platinerzbergbaus in Südafrika. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen, dass das Material bereits nach sehr kurzer Zeit einer Entwicklung unterliegt und sich neue Strukturen bilden. Durch Zu- schlagstoffe, beispielsweise in Form von Kompost, können diese Prozesse beschleunigt, aber auch verzögert sowie in eine andere Richtung ge- lenkt werden. Durch eine fortschreitende Bodenentwicklung auf diesen bearbeiteten Flächen entstehen so Areale, die nicht nur ein Gefährdungspotential darstellen, sondern auch eine Möglichkeit zur Integrierung in die Landschaft und ein Potential zur Kreislaufführung von nachwachsenden Rohstoffen. Daher sollte schon bei der Aufbereitung von Substrat bzw. Boden auf die ökologische Wirkung geachtet werden.

Da Spülhaldensubstrat weder vollständig beseitigt noch komplett versiegelt wird, sind Kenntnisse zum Entwicklungsprozess der Substrate von fundamentaler Bedeutung für die Einschätzung der zukünftigen Nutzung der Regionen. Zukünftig werden die Anforderungen an die Ressource Boden steigen, die Geschwindigkeit der Veränderung und das Maß der Interaktion zunehmen und neue Herausforderungen auftreten.

Bei einer wachsenden Bevölkerung und beschränktem Platzdargebot sollten wir ein größeres Augenmerk auf die lebensnotwendige Ressource haben, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.